Das herrliche Skigelände oberhalb von Bayrischzell war also bereits nach dem Ersten Weltkrieg ein beliebter Tummelplatz besonders der Münchner Skifahrer. Die vielen Almen im Bereich des Sudelfelds waren beliebt und begehrt als Orte der Erholung bei Sonne und Schnee, sowohl an Wochenenden als auch in den Ferien.
Es war eine Tradition, im Herbst, wenn das Vieh abgetrieben war, diese Almen als Skihütten herzurichten, Holz zusammenzutragen, zu hacken und aufzuschichten. Sobald der erste Schnee fiel, hielt es dann die vielen Hüttenpächter und –pachtgemeinschaften – überwiegend Münchner und Rosenheimer Skisportler – nicht mehr zu Hause. Man musste zum Sudelfeld. In dieser Zeit, als es noch keinen Lift hier gab, entstand jene fast legendär gewordene Skihüttenromantik, von der man heutzutage nur noch träumen kann. Man zog bei gleißender Wintersonne seine Spur zum Vogelsang hinauf, staubte die Hänge des Oberen und Mittleren Sudelfelds hinunter, bestieg noch den Waldkopf oder den Schreckenkopf, um bei untergehender Sonne in die warme Hüttenstube zu treten, die nassen Klamotten über den knisternden Ofen zu hängen, Tee zu kochen, die Abendbrotzeit zuzubereiten und anschließend im Schein der Petroleumlampe mit gleichgesinnten Freunden einen gemütlichen Hüttenabend zu verbringen. Gerade zu Zeit der großen Arbeitslosigkeit anfangs der Dreißigerjahre waren viele Münchner im Winter geradezu Dauergäste am Sudelfeld. Aber von „Erschließung“ spricht man ja heute nur, wenn technische Aufstiegshilfen einem den Schweiß vor dem Genuss ersparen.
Die Gemeinde Bayrischzell versuchte bereits 1937 einen Geldgeber für einen Sessellift zum Sudelfeld zu finden. Die Verhandlungen zogen sich jahrelang hin, bis der Krieg dazwischen kam und somit die Pläne vorläufig in der Schublade verschwinden mussten. 1947 nahm das Projekt erneut Gestalt an. Die „Transport-GmbH Bayrischzell-Sudelfeld“ wurde gegründet, anfänglich sogar mit Beteiligung der Gemeinde Bayrischzell.
Der Baubeginn erfolgte unter außerordentlich schwierigen Umständen in der frühen Nachkriegszeit, in der nur abgebaute Teile von Wehrmachts-Transportanlagen zu erhalten waren. Außerdem ließ sich mit der wertlosen Reichsmark kaum etwas finanzieren. Nach der Währungsreform 1948 war erst recht kein Geld aufzutreiben. Schließlich wurde der Transport-GmbH Ende 1948 doch ein Bankkredit gewährt, der den Baubeginn zuließ. Die Gesellschaft schaffte es innerhalb von vier Monaten, die „Anlage II“ Tanneralm-Vogelsang zu bauen, so dass am 31. Dezember der Betrieb dieses Sessellifts aufgenommen werden konnte. Später wurde dieser Lift wieder abgebaut und durch einen Schlepper ersetzt. Dieser Lift ist also die traditionreichste Anlage am Sudelfeld, und mit ihr wurde das Sudelfeld zum Pistenskigebiet. Im Jahr 1949 gelang es, auch die „Anlage I“ Bayrischzell-Tanneralm fertigzustellen, die am 31.Dezember dieses Jahres die ersten Skisportler direkt von Bayrischzell heraufbeförderte. In der Folge musste der Betrieb jedoch wegen technischer Probleme oder aufgrund verschärfter Sicherheitsauflagen mehrmals über längere Zeit eingestellt werden. Treibende Kraft bei diesen Liftprojekten war der Geschäftsführer der Transportgesellschaft Rupert Pöllinger.
Die Niederaudorfer, die eigentlichen Herren des Sudelfelds, haben aber auch nicht geschlafen. Der Wirt des Gasthofs „Rosengasse“, Georg Waller, war der Erschließungspionier auf der „anderen Seite“. Er baute einen Sessellift von der Rosengasse hinauf zum Sattel bei der Walleralm. Das war ebenfalls 1949. Auf diese Weise konnte sich die Erschließung des Sudelfelds von zwei Seiten entwickeln. Mit den drei ersten Liftanlagen wurden übrigens zwei sowohl geografisch als auch vom skifahrerischen Können her ganz unterschiedliche Gruppen angesprochen: Wenn man von der ohnehin oft nicht fahrbaren Abfahrt (Sauhöll) vom Mittleren Sudelfeld nach Bayrischzell absieht, wurde das Gelände um den Sudelfeldlift II überwiegend von Münchner und Miesbacher Skifahrern bevorzugt, und zwar hauptsächlich von solchen, die diesen Sport noch nicht so gut beherrschten oder nur als Fortgeschrittene bezeichnet werden konnten. Die Rosengasse hingegen hatte ihre Kunden hauptsächlich im Rosenheimer Raum und aus dem Inntal und diese waren überwiegend gute bis sehr gute Fahrer, denn der obere Hang der Rosengassenabfahrt stellte und stellt auch heute noch eine Herausforderung selbst für Könner dar. So nimmt es nicht Wunder, dass damals die „Rosengassenfahrer“ mit den „Sudelfeldwedlern“ kaum in Kontakt kamen, obgleich die beiden Bergstationen in ungefähr gleicher Höhe nur ca. dreihundert Meter voneinander entfernt lagen. Den Einen war das Sudelfeld zu langweilig, den Anderen die Rosengasse zu schwierig. Es wäre auch nicht ohne Weiteres möglich gewesen, diesen Kontakt herzustellen, denn mit einer Karte für den Rosengassenlift konnte man am Sudelfeldlift nicht fahren und umgekehrt war es natürlich genauso. So manchem Brettlrutscher widerfuhr es damals, wenn er unwissend die „unsichtbare Grenze“ überschritt und sich eine Abfahrt im fremden Gelände gönnte, dass er an der Mittelstation des Sudelfelds oder im umgekehrten Fall an der Talstation der Rosengasse von einem schadenfroh grinsenden oder auch bärbeißig dreinschauenden Billettlzwicker hören musste: Des Zetterl guit bei uns fei ned! Do muassd scho extra zoin oda gehsd liaba z’Fuaß wida auffi? Heute wäre das ein undenkbarer Zustand.