2. Teil: Blog Skireise Chile
Villarica, du stinkst nach Schwefel! Gib mir mehr!
In der Nacht sieht man ein feuriges Leuchten über dem Gipfelkrater des aktiven Villarica. Beeindruckend. Im März 2015 ist der Villarica ausgebrochen und deswegen offiziell gesperrt. Doch von einem einheimischen Guide bekommen wir den Tipp, dass die Sperre eher locker gehandhabt wird und er im Moment auch gemacht wird. Mit diesen News machen wir uns einstimmig auf den Weg.
Wieder geht es früh aus dem Haus, Im Vergleich zum Lanin ist der Aufstieg am Villarica aber purer Genuß und es gilt „nur“ 1500 Hm zu überwinden! Diesmal haben wir keinen Zeitdruck und keine störenden Lawinenkegel unter den Füßen. Die Morgensonne strahlt uns ins Gesicht, dazu wenig Wind. Die Stimmung in der Gruppe ist super. Heute passt wirklich alles! Hinzu kommt noch der sensationelle Blick hinunter zum tiefblauen Villarica See und den umliegenden Bergen. Vor allem der Llaima und der Lanin bestechen durch ihre Schönheit. Wir kommen gut voran und gönnen uns mehrere Pausen. Die Chancen den Kraterrand zu erreichen sind gut: Der Rückenwind im Aufstiegssinn weht die toxischen Schwefeldämpfe auf die andere Seite. Eine Teilnehmerin bekommt beim Aufstieg etwas gesundheitliche Probleme und Fernando bleibt mit ihr an einem geschützten Ort zurück. Wir bezwingen die letzten paar hundert Meter mit Pickel und Steigeisen. Hier geht es wieder vorbei an faszinierenden Anraumstrukturen.
Am Gipfel spüren wir den Krater mit allen Sinnen: Beißender Schwefelgeruch. Ein bedrohliches Rumoren aus den Tiefen der Erde. Das Flimmern der heißen Dämpfe über uns. Wir sind überwältigt. Ehrfürchtig vor den ungezähmten Kräften der Erde. Sprachlos. Zu unserem Glück werden die heißen gelb-grünen Schwefeldämpfe weiterhin von einem starken Nordwind von uns weggeweht und wir können diese archaische Szenerie in Ruhe bestaunen. In den Krater hinein hat sich eine gewaltige Schneewechte gebildet. Gefährlich. Seitlich umgehen wir die Wechte, um von dort einen Blick in die Ursuppe zu werfen, doch hier kommen Schwefelgase aus dem Schnee. Brennen in der Kehle. Husten. Nichts wie weg! Schnell ziehen wir uns wieder zurück vom Kraterrand und treten respektvoll den Rückzug zu unseren Skiern an.
Der aktive Krater am Gipfel des Villarica wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Wir treffen auf unsere beiden zurückgebliebenen, der Teilnehmerin geht es wieder besser. Die Abfahrt ist der krönende Abschluss des perfekten Tages: im absolut unverbesserlichen Fünf-Sterne-Butter-Firn! Jauchzend und mit dicken Grinsen treffen wir wieder auf Max, der bei den Vulkanischen Höhlen auf uns wartet. Erstmal Brotzeit, dann geht es wieder zurück nach Pucon. Doch nach einigen Metern kommt uns schon die chilenische Polizei entgegen. Was jetzt? Wir wurden also beobachtet. Max lässt seinen diplomatischen Charme spielen und es gibt zum Glück nur Probleme, weil wir nicht registriert waren.
Wir hatten früh morgens die Ranger Station bereits passiert bevor diese besetzt war. Zum Glück hat dies keine schwerwiegenden Folgen für uns. Schreck lass nach. Wir lassen den Tag ausklingen bei einem kühlen Bier in einer der vielen wunderschönen „Thermas“ in der Umgebung von Pucon, selbstverständlich mit Blick auf den Villarica!
Zu Besuch bei den Mapuche
Das Wetter schlägt nun wieder um und wir nutzen die Regenepisode für den kulturellen Höhepunkt unserer Reise. Max macht uns bekannt mit einer Mapuche Familie im Umland von Pucon. Die Mapuche sind die indigenen Ureinwohner von Südchile. Unsere Gastgeberin Señora Rosario ist eine Lonko (das geistige Oberhaupt) und macht uns vertraut mit ihrer der Kultur. „Mapu“ heisst Erde, „Che“ heisst Mensch, Mapuche: die Menschen der Erde also. Es geht los bei der Kleidung, über den Schmuck, die Ernährung, bis hin zu Medizin, Brauchtum und Gesang. Wir bekommen einen sehr guten Eindruck wie dieses indigene Volk gelebt hat und auch heute noch lebt, allerdings sehr stark zurückgedrängt wurde durch die Folgen der Kolonisation in Chile. Wir werden höflich hereingebeten in ihre Ruka (Die traditionelle Unterkunft mit Schilfdach), nehmen Platz am Lagerfeuer und werden Zeuge einiger ritueller Gesänge, begleitet von Instrumenten wie der Kultrún (Schamanentrommel), Cascahuillas (Schellen) und der Trutruca (Naturtrompete aus Bambusrohr und Ochsenhorn, vergleichbar mit einem Alphorn). Dann dürfen wir verschiedene Trachten anprobieren und kosten eine traditionelle Mahlzeit. Zur Verdauung spielen wir eine Runde Chueca, eine Art Hockey. Es wird erbittert gekämpft und am Ende gewinnen alle, denn jeder hatte einen Riesenspaß!
Skireise Chile – Thermen und Hotels: Alles Wellness, oder was?
Es geht weiter nach Süden. In einer Schlucht mit üppigen Regenwald befindet sich eine der schönsten Naturhermen Südchiles: die Thermas Geometricas. Ein roter Holzsteig führt in die Schlucht. Rechts und links davon, umgeben von üppigen Südbuchenwald, befinden sich die Thermalbecken. Neben den heißen Quellen stürzen kleine und große Wasserfälle mit eiskaltem Wasser in den Canyon. Um sich hört man das Wasser plätschern und rauschen. Kolibris surren durch die Luft. Ein warmer Dampfschleier umhüllt den ganzen Ort und den umgebenden Wald . Man fühlt sich wie in einem Traum.
Tief entspannt geht es nach einigen Stunden Wellness weiter zu unserem nächsten Ziel: den Vulkan Doppelgipfel Mocho-Choshuenco im Naturreservat Huilo-Huilo. Das Besondere hier sind die Baumhaus-Hotels, die im Einklang mit dem Wald gebaut wurden. Die Hotels sind mit hölzernen Brücken verbunden, die sich durch das Kronendach des Waldes ziehen. Star Wars zum anfassen! Ich fühle mich versetzt auf den Waldplaneten Endor und stelle mir vor wie ein Ewok aus dem Gebüsch hüpft. Staunend und amüsiert schlendern wir nach unserer Ankunft noch bis in die Dämmerung durch diese Szenerie, beeindruckt von dem Zusammenspiel aus Architektur und wilder Natur.
Am nächsten Morgen geht es auf den Mocho-Vulkan. Über Nacht hat es weit heruntergeschneit und wir sind froh um den Allrader von Maurizio, der am Hoteleingang auf uns wartet. Die Fahrt durch den tief verschneiten Wald, der geisterhafte Bambus im Schnee: Magisch. Als wir die Waldgrenze erreichen, reißt es auf, blauer Himmel und Powder! Wir legen unsere Spur in die frisch verschneite Winterlandschaft. Weiter oben umhüllen die Wolken wieder den Gipfel und ein starker Wind kommt auf. Wir schenken uns die letzten Meter zum Gipfel und machen uns auf die Bretter. Dichter Nebel und Schneetreiben sind besonders problematisch an Vulkanen: Es gibt hier keine Felsen oder Anhaltspunkte an denen man sich orientieren kann, die Spuren vom Aufstieg sind komplett zugeweht und die Sicht gleich null. Die meisten Unglücke an Vulkanen passieren, wenn Menschen im dichten Nebel die Orientierung verlieren. Am Mocho erleben wir die Situation first-hand. Wie gut, dass ich mit meinem GPS bereits beim Aufstieg die Route aufgezeichnet hatte. Der Rückweg ist jetzt kein Problem mehr. Weiter unten reißt es wieder auf und wir können noch ein paar genussvolle Schwünge in den Powder ziehen.