Eigenartig ist es schon: Wenn auch historisch gesehen das Sudelfeld stets nach Osten, nach Niederaudorf orientiert war, sportlich wurde es beinahe ausschließlich von Bayrischzell her erschlossen, und das begann bereits 40 Jahre, bevor es die Sudelfeldstraße gab. Die ersten Skifahrer tauchten in Bayrischzell schon einige Jahre vor der Jahrhundertwende auf. Es waren „Grenzer“ – erstmals und bestaunt mit Ski. Denn im Allgemeinen sah man Grenzbeamte und Jäger nur auf Schneeschuhen.
1902 wurde der Zolloberkontrolleur Hermann Hartmann Chef der Grenzwache in Bayrischzell. Das war die Geburtsstunde des Skigebiets Sudelfeld. Hartmann war ein begeisterter Anhänger des noch jungen Skisports und er zeigte den Jägern und seinen Grenzern, wie man im Schnee auf Ski viel schneller und weitaus weniger anstrengend als bisher vorankommen konnte – bergauf wie bergab. Die Jäger gebrauchten nämlich noch einen Stock, und zwar einen langen Bergstock, wie sie ihn auch im Sommer benützten. Sie fassten ihn beim Schwingen mit beiden Händen und setzten ihn bald links, bald rechts ein, je nach der Richtung, in welcher der Schwung erfolgen sollte. Das war die so genannte „Zdarsky-Methode“, benannt nach einem österreichischen Skipionier. Hartmann war aber ein energischer Verfechter der „Norwegermethode“. Diese Technik bestand im Wesentlichen darin , in jeder Hand einen Stock zu halten und je nach Schwungrichtung den rechten oder den linken Stock einzusetzen – so, wie wir eigentlich auch heute noch unsere Stöcke benützen. Weshalb Hartman die Zwei-Stock-Methode bevorzugte, hatte zwei Gründe: Erstens konnte man bei der Abfahrt die gegenüber dem Telemark modernere Schwungform des Kristiania leichter erlernen und ausüben, zweitens hatte man beim Aufstieg mit zwei Stöcken mehr Bewegungsfreiheit und Sicherheit.
Hartmann war in mancher Beziehung offenbar ein Eigenbrötler. Ihm war bald das winterliche Sudelfeld wie seine Westentasche vertraut und erkannte es als ein Dorado des Skisports. Aber trotz seiner engen Kontakte zum „Akademischen Skiclub München“, der sich damals vorwiegend im Spitzinggebiet tummelte, verriet er sein Geheimnis nicht. Das Sudelfeld war sein Reich und sein geheiligtes Revier. Lange überlegte er, ob er dieses Skiparadies für sich behalten – für den großen, nahezu schwärmerischen Naturfreund und Einzelgänger – oder ob er seinen Münchner Skifreunden dieses Geheimnis nicht doch verraten sollte. Schließlich siegte aber sein Gemeinschaftsgeist und so kam im Winter 1905/06 der „ASCM“ auch nach Bayrischzell.
In dem „Bericht über die Tätigkeit des Akademischen Schiclubs München im Winter 1904/05“ heißt es, dass Mitglied Hermann Hartmann es war, der seine Kameraden dazu bewog, künftig auf das Sudelfeld „umzusiedeln“. Im Januar 1906 wurden die ersten Skikurse und Rennen abgehalten und zum ersten Kurstermin standen 130 Teilnehmer, darunter 24 Damen, am Hang. So wurde der Skisport in Bayrischzell heimisch. Das Skifahren übte man damals noch universell aus – zwangsläufig. Bergauf musste man ja immer noch gehen – wan erlernte also auch die Techniken des Aufsteigens: Schrägaufstieg, Treppenschritt, Grätenschritt. Das Abfahren versuchte man im Tiefschnee und am eingetretenen Hang – bei jeder Schneeart. Und auch das Skispringen fand gerade in Bayrischzell viele Freunde. All das machte man mit ein und demselben Paar Ski. Man lernte den „Telemark“, teilweise auch schon den „Kristiania“, das Schussfahren in der Hocke und vor allem das Skiwandern und die Freude an der winterlichen Natur. Neben Hartmann war es vor allem Dr. Karl Gruber, selbst aktiver Skiläufer, der sich um den Skilauf am Sudelfeld verdient machte
1911 wurde die Eisenbahn nach Bayrischzell eröffnet und im Winter 1911/12 war das Sudelfeld schon von vielen Münchner „Brettlhupfern“ bevölkert. Im Kriegsjahr 1915 benützte das 1. Königlich-bayerische Schneeschuhbataillon das Sudelfeld als Übungs- und Ausbildungsgelände.
Schon gleich nach dem 1. Weltkrieg mussten eigene Wintersport-Sonderzüge von München nach Bayrischzell eingesetzt werden um Tausende von Skibegeisterten dorhin zu befördern. Damals gab es ja noch keinen einzigen Lift und die Sudelfeldstraße war nicht einmal in Planung. Man ging vom Bahnhof Bayrischzell zu Fuß hinauf ins Skiparadies.
Im übrigen trug nicht nur das ideale Skigelände am Sudelfeld, sondern auch das berühmte „Bayrischzeller Kleeblatt“ Gustl Müller, Fritz Pellkofer und Hans Bauer, das in den Zwanziger- und Dreißigerjahren unzählige nationale und internationale Titel im nordischen und (!) alpinen Skilauf errang, zum Ruf Bayrischzells als Skiort und des Sudelfelds als ideales alpines Trainingsgelände bei. Und nicht zuletzt war es die erfolgreiche Rennläuferin Hannelore Heckmair, die in den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren den Namen Bayrischzells und des Sudelfelds als ihr heimisches Trainingsrevier in die Schlagzeilen der Sportpresse brachte.