Die Zillertal Hochtour! Auch wenn einem immer so ein kleiner „tradihui“-Gedanke von Schürzenjäger-schmäh und Almidylle durch die Synapsen rauscht, gilt das nicht unbedingt für die Berge am gleichnamigen Hauptkamm. Obgleich der Berliner Höhenweg, die Hütten konstant mit Nachschub an eifrigen Wanderern versorgt, ist man auf den oft unnahbar wirkenden, dunklen und felsigen Gipfeln tendenziell allein. Sicher tun dazu auch die oft spaltigen Gletscher ihr Übriges.
Um dem „klassischen“ Alpinismus zu frönen, also ein idealer Spielplatz. Zum spielen habe ich diesmal einen besonderen Gast dabei, denn mein Bruder hat mich just eines schönen Maitages verhaftet und für Mitte Juli auf eine Hochtour festgenagelt. Nagut, dann eben der etwas andere Familienausflug. Nachdem Chamonix zu instabiles Wetter bietet, fällt das Los aufs gute alte „Chillertal“. Tradihui!
Der Wecker hat natürlich zu früh geklingelt, ob des ambitionierten Plans vom Schlegeisspeicher über Weißzint Ostgrat , selbigen Gipfel (3371m) besteigend, hinüber bis zur Nöfesjochhütte (Chemnitzer Hütte) zu kommen, wird es ihm aber nachgesehen.
Also schlappen wir alsbald am Speicher entlang, lassen den Aufstieg zum Furtschaglhaus links liegen und stürzen uns ins wunderbar weglose Gelände hinauf bis zu den Gletscherschliffplatten des Schlegeiskees. Über die kleine Seitenmoräne funktioniert dieser Plan erstaunlich gut, aber irgendwie ist die Schlegeisscharte doch mehr als einen Steinwurf weg und der spaltige Gletscher erfordert umsichtiges Gestapfe im schon angenehm weichen Schnee. Und irgendwie hat’s da doch ziemliche Löcher.
Nun gut…wir schweben über diese hinweg, belohnen uns mit sauberster Brotzeit und karxln dann den gemütlichen Ostgrat zum Weißzint empor. Der ist tatsächlich „nett“, keineswegs schwierig und bietet sogar ein paar ganz gute Kletterstellen. Am Gipfel sind wir natürlich allein und die Aussicht gen Süden ist wirklich…tradihui!
Irgendwo weit unter uns quert der Neveshöhenweg, den wir im formidablen Direktabstieg über komfortable Schneefelder erreichen. Soweit die Theorie. Nun zur Praxis: Dieser traumhafte Höhenweg quert nun erbarmunglos den gesamten Talkessel, mal absteigend, mal lustig aufsteigend und irgendwie ist das grad der anstrengenste Teil der Veranstaltung, denn es is a bisl hoas…
…nagut, nachdem das Bier trotz Rumwimmern nicht zu uns kommt, kommen wir halt irgendwann doch zu ihm. Selbiges kredenzt uns Hüttenwirt Roland des späten Nachmittags. Sein Einwand, als wir angerufen haben tags zuvor, dass es übrigens um 7 Uhr Abendessen gibt, ist uns jetzt auch klarer…aber mir waren ja noch in time.
Nach diesem kurzen, Verzeihung, langen „warm-up“ , soll morgen dann der Thurnerkamp dran glauben, explizit dessen Südgrat soll es sein. Also…schon wieder das mit dem Wecker. Aufgrund von Gewitterprognose für nachmittags und dem sorgenvollen Gesicht des sympathischen Hüttenwirts, verwerfen wir den Plan, über den Ostgrat abzusteigen…der ist nämlich bisl lang.
Flott sind wir am nächsten morgen am Einstieg des Südgrats, genau als die Sonne um die Ecke biegt und den Granit in sanftgelbes Licht taucht. Die ersten Meter gehen abwechslungsreich und spielerisch von der Hand, irgendwann wird’s dann aber doch alpin. Kurzer Abseiler von einem Türmchen, hier mal links rum oder doch besser rechts…der Grat lässt in jedem Fall immer weniger Spielraum „einfach irgendwo“ zu klettern. Die Schlüsselstelle ist dann ein mit Eisenstiften versehener plattiger Aufschwung. Hmm, doof nur, dass davor nur ein Schlaghaken hinter einer hohlen Schuppe steckt und der erste Eisenstift sportlicherweise nach der Schlüsselstelle kommt.
Also gut, dann hat sich das mit den Kletterschuhen wenigstens rentiert. Krame also wegen diesen 3 Metern die stinkenden Latschen hervor, um auf den sehr abschüssigen Reibungstritten doch wenigstens ein bisschen zu stehen. Oha…gebe zu, hat sich gelohnt, auch wenn nur eine kurze Stelle, die wäre mit Bergschuhen unangenehm, der mögliche Flug vermutlich mehr als unangenehm geworden.
Wieso man sich genau die Arbeit mit den Eisenstiften an dieser Stellen gemacht hat, bleibt dem User indes verborgen, denn als Absicherung sind die Dinger auch suboptimal…aber gut, man muss das nicht verstehen…wir sind eh schon drüber und kraxln immer direkt am Grat in Richtung Gipfel (3422m). Tradihui!
Die folgende Abseilfahrt direkt vom Gipfel des Thurnerkamp ist dann durchaus alpin. Zwar sind die Stände einigermaßen eingerichtet, Bohrhaken gibt’s aber keine, dafür allerhand lose Schuppen, je weiter man runterkommt. Funktioniert aber ganz gut, nur die benachbarte Rinne meiden wir. Früh im Jahr ist diese noch eisig und dann ganz gut abkletterbar, später wird sie komplett aper. Thema Bergschrund wird auch ohne Probleme gemeistert, übrigens eine Geschichte, die komischerweise gerade im Zillertal immer wieder zum echten Problem wird. Hier bei uns nicht, gfreid uns.
Von der Rossruggscharte aufs Hornkees dann schon eher. Ein bissl ein Hupfer muss da schon sein, um nicht vom gierigen Maul des Gletschers gefrühstückt zu werden…der Rest ist easy. Der Blick zurück und auf die Abstiegsvariante Ostgrat zeigt übrigens dann doch, dass man dessen beträchtliche Länge nicht wegdiskutieren kann…Gewitter wäre da definitiv fehl am Platz.
Wir sind stattdessen bald unten an der Berliner Hütte. Hier ist wieder mehr los als am Thurnerkamp Gipfel, hier gibt’s Brotzeit, Bier und…tradihui!